Leicht getorft

Wo der Geschmack zum Leben erwacht

Der Herbst ist eingekehrt und die Sommerhitze liegt nun hinter uns. Versammeln Sie sich an unserem Lagerfeuer am Meeresufer. Sitzen Sie bequem?

Julien Willems beginnt, eine Geschichte über das getorfte Trio der Society zu erzählen – ein Thema, das uns durch den kurzlebigen Herbst und bis an die Schwelle des nachtschwarzen schottischen Winters tragen wird. Spiessen Sie Ihre Marshmallows auf und rösten Sie sie über der Glut, geniessen Sie einen über dem offenen Feuer gegrillten Lachsspiess oder ein, zwei Scheiben Pata Negra … Spülen Sie all dies mit einem Tässchen Lapsang Souchong hinunter und lassen Sie uns die Flamme feiern, die uns alle immer wieder zu neuen geschmacklichen Abenteuern aufbrechen lässt.

Alles beginnt mit einem Sprichwort, das in der ein oder anderen Abwandlung sicher so alt ist wie die Menschheit: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Das Feuer gehört zu den unbesungenen Helden des Whiskys. Dieses Element hält den gesamten Prozess und die Geschichte des Whiskys zusammen. Es liefert die Hitze für der Umwandlung der Gerste in Malz, es heizt (zumindest ursprünglich) die ewig durstigen Brennblasen, es röstet und verkohlt die Fässer – es kann gar nicht genug betont werden, wie wichtig das Feuer ist. In jedem Schluck steckt die Magie des Feuers, das dem schottischen Whisky seine legendären und begehrten Aromen verleiht.

Lassen Sie uns heute einmal gemeinsam überlegen, was dazu führt, dass ein Whisky dem Aromaprofil «Leicht getorft» zugeordnet wird. Beschrieben wird dieses Profil häufig mit den Aromen von gerösteten Marshmallows sowie einer guten Portion gegrillter Früchte, woran sich erkennen lässt, dass die Ester immer noch einen starken Einfluss haben.

Diese fruchtigen Geschmacksnoten, die bei der Gärung des Washs entstehen, sind Whiskykennern wohlbekannt (mehr zu diesem Thema lesen Sie in unserem Artikel «Süss, fruchtig und mild»). Gleichzeitig verleihen rauchige und torfige Noten dem Whisky etwas mehr Dampf und Länge. Bei Aromen wie verbrannten Zweigen, Holzasche und geräuchertem Lachs scheiden sich vielleicht die Geister. Wenn das Ganze jedoch von dunklen, süsslichen Lavendel- und Heidehonig-Noten umhüllt ist, wird sicher ein jeder neugierig, denken Sie nicht? All diese Aromen werden für gewöhnlich mit Phenolen assoziiert und mit brennendem Torf in Verbindung gebracht. Aber wie gelangen sie schliesslich in den Whisky?

Spüren sie die Hitze?

Bevor Gerste zu Malz werden kann, muss sie einweichen und keimen, und damit die Pflanze wachsen kann, beginnt sie Stoffe (Enzyme) abzusondern. Sie helfen ihr dabei, die Stärke im Korn in Einfachzucker aufzuspalten (denken Sie an Malzzucker), der als Energiequelle genutzt werden kann. Je länger die Pflanze wächst, desto weniger Zucker verbleibt im Korn. Deshalb ist es wichtig, dem so schnell wie möglich einen Riegel vorzuschieben. Ganz genau. Sie haben es bereits geahnt: Die Antwort heisst «Feuer». Beziehungsweise, um exakt zu sein, wird (traditionell) heisse, trockene Luft aus einer Darre genutzt, um das noch feuchte Korn zu trocknen und die Keimung zu stoppen. Wird in dem Ofen Torf verwendet, so verleiht dessen dichter und aromatischer Rauch der Gerste ein erdiges, russiges, verbranntes, manchmal sogar medizinisches oder dunkel-blumiges Aroma. Diese Phenole geben dem Wash (Malzbier, das anschliessend zu einem Spirit destilliert wird) aromatische Eigenschaften, die durch die Destillation zum Spirit noch stärker konzentriert werden.

Bei den «Leicht getorften» Malts wird, wie der Name schon sagt, das Malz weniger intensiv getorft (oft – jedoch selten mit viel Aussagekraft – ausgedrückt in «ppm» für «parts [of phenolics] per million»).

Ebenso wichtig ist jedoch die Art und Weise, wie das Malz destilliert wird. Typischerweise sind die Kopfnoten rauchig und hin und wieder etwas medizinisch, jedoch auch öliger und fleischiger als bei einem durchschnittlichen ungetorften Whisky. Dies könnte mit einer Überlegung zusammenhängen, die wir im Mai in dem Artikel «Ölig und maritim» diskutiert haben: Ölige Verbindungen und Phenole sind schwerer und weniger flüchtig als Ester, Ethanol und Wasser. Deshalb wird die Destillation später abgebrochen (an einem «niedrigeren Punkt»), denn so können die phenolischen Aromen im Wash und in den Low Wines bestmöglich hervorgehoben werden. Mit zunehmender Destillationsdauer steigt das Risiko, dass zunächst zwar Nuss-, Fleisch- und Fischaromen entstehen, sich anschliessend jedoch nach und nach auch weniger erwünschte schweissige und käsige Noten ihren Weg in die Destille bahnen.

Es handelt sich also um einen Balanceakt, der sich daran orientiert, welche Geschmacksrichtung der Destillateur erzielen möchte: Wie viele Phenole können extrahiert werden, ohne die Spirituose zu verunreinigen? Bei den «Leicht getorften» Malts geht der Trend jedoch für gewöhnlich in Richtung Reinheit und Zurückhaltung. Zudem wird für die meisten von uns bereits eine geringe Phenol-Konzentration wahrnehmbar sein, da unser olfaktorisches System extrem empfindlich auf derartige Verbindungen reagiert. Letzteres ist vermutlich – zumindest teilweise – auf evolutionäre Gründe zurückzuführen. (Wenn man in einem Wald lebt, ist der Geruchssinn von essentieller Bedeutung, da er signalisiert, wenn es brennt.)

Fass-Kombinationen

Die Geschichte handelt jedoch nicht nur von der Destillation. Wie wir bereits in früheren Artikeln erwähnt haben, können auch die Fässer durch bestimmte Verbindungen, wie zum Beispiel dem Guajakol, eine Reihe von rauchigen Aromen erzeugen. Auch sie können dazu beitragen, dass der Whisky hin zu rauchigeren Aromen gelenkt wird und dass seine getorften Noten verstärkt werden.

Stellen Sie sich ein Fass vor, in dem ein getorfter Whisky gelagert wurde. Das Fass wird geleert und für die Reifung einer anderen Spirituose wiederverwendet. Das Spirits Team der Society hat in der Vergangenheit – und auch in jüngster Zeit – damit experimentiert und ungetorfte Whiskys in Fässern reifen lassen, in denen zuvor Whiskys mit den Aromaprofilen «Getorft» bzw. «Stark getorft» gelagert wurden. Dabei sind eine Reihe von überraschenden und köstlichen neuen Drams entstanden (siehe z.B. Fass Nr. 89.14 «Omelette surprise» und Fass Nr. 89.15 «Pinball wizard» sowie Fass Nr. 70.38 «B+B=B²»). Das Spirits Team hat sich ausserdem mit unterschiedlichen Arten von getorften Aromen beschäftigt.

Ein Beispiel: Für Fass Nr. 4.293, eine sehr raffinierte Kombination, wurde ein getorftes Orkney-Destillat aus seinem ursprünglichen Sherry-Fass in ein Oloroso-Sherry-Fass gefüllt, das zuvor einen langen gereiften Islay-Whisky beherbergt hatte (Fass Nr. 29.260: «A visceral, elemental experience»). Dies führte zu einem wunderbar reichhaltigen Sherry-Dram mit ausgeprägt torfigen Islay- und Orkney-Noten.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass es viele Möglichkeiten gibt, einem Whisky getorfte und rauchige Aromen zu verleihen. Dies gilt besonders für die Drams des Geschmacksprofils «Leicht getorft». Ein wenig Rauch und etwas Torf können in der Tat sehr viel bewirken und grosse Leidenschaften entfachen. Damit endet das erste Kapitel dieser Geschichte. Wir werden uns jedoch, wenn sich der Herbst wieder verabschiedet hat, mit weiteren Gedanken rund um getorfte Malts und den Torf selbst zurückmelden. In der Zwischenzeit sollten Sie unbedingt eine Flasche «Leicht getorften» Whisky öffnen und die subtile Komplexität dieses wunderbar vielfältigen Profils geniessen!